Vor kurzem bekam ich eine Nachricht von der lieben Wiebke Schomaker von Starke Sprache: „Ariane, ich starte gerade eine Blogparade zum Thema ‚Meine besten Tipps, um das Selbstwertgefühl von Kindern zu stärken‘. Hast du Lust, deine Perspektive als Expertin für die Kommunikation mit Baby- und Kleinkindgebärden zu teilen?“
Na klar hab ich.
Was Baby- und Kleinkindgebärden mit einem starken Selbstwertgefühl bei Kindern zu tun haben
Ui, ne ganze Menge, würde ich sagen.
Versetze dich mal in folgende Situation!
Du suchst eine bestimmte Straße in einer belebten ausländischen Stadt. Du kannst die Sprache nicht. Du sprichst einen Menschen nach dem anderen an: „Entschuldigung, können Sie mir bitte weiterhelfen?“. Alle schauen dich nur an, zucken mit den Schultern, drehen sich um und ziehen weiter.
Wie fühlst du dich, nachdem du eine Weile herumgeirrt bist, niemand dich versteht und du immer noch nicht weißt, wie du jetzt weiterkommst?
Es macht etwas mit deinem Selbstwertgefühl, oder? Vielleicht kommen Gedanken, wie: „Ich kann das nicht. Ich komme nicht zurecht. Niemand ist für mich da.“ hoch.
So ungefähr geht es Babys und Kleinkindern, wenn sie und ihre Eltern noch keine gemeinsame Sprache gefunden haben.
Nun hat es die Natur dummerweise so eingerichtet, dass Kinder erst mit etwa einem Jahr die ersten Worte sprechen. Dann dauert es noch gut 2-3 Jahre, bis die Sprache so weit ist, dass sie weitestgehend alles mitteilen können, was sie bewegt.
Davor können wir uns nur auf unsere mütterliche Intuition verlassen. Mütterliche Intuition ist aus meiner Sicht nichts anderes, als das Erkennen ganz feiner Babysignale durch Achtsamkeit und Beobachtung.
Leider leben wir in einer sehr schnelllebigen Gesellschaft, voller Einflüsse von außen. Es ist uns kaum noch möglich, uns so auf unsere Kinder zu fokussieren und so achtsam zu sein, dass wir all die feinen Signale wahrnehmen und so zielsicher ihre Bedürfnisse erfüllen können.
Hier kommen die Baby- und Kleinkindgebärden ins Spiel.
Durch Baby- und Kleinkindgebärden sind wir automatisch viel achtsamer.
Wir bauen mehr Blickkontakt auf, beobachten viel intensiver, welche Signale sie uns mit ihren Händen und dem Rest des Körpers senden. So können wir gezielt auf sie eingehen.
Wir sprechen und gebärden viel mehr mit ihnen, nicht nur beiläufig, sondern sehr bewusst und deutlich.
Statt mit einem Jahr sind die Kleinen meist schon mit nur 5-6 Monaten in der Lage uns deutlich mitzuteilen, was sie gerade bewegt. Und noch viel wichtiger: Wir sprechen die gleiche Sprache und verstehen uns.
Dieses Verstehen und Verstanden werden ist der Schlüssel zur Stärkung, bzw. zum Erhalt, des Selbstwertgefühls.
Mein Selbstwertgefühl und ich
Selbstwertgefühl ist etwas, das mir als Kind nicht so richtig mitgegeben wurde.
Mit meinem eher ungewöhnlichen Äußeren durch mein Klippel-Feil-Syndrom war ich vielen Hänseleien ausgesetzt und wurde ausgegrenzt.
Zu Hause wurde oft nicht gesehen und verstanden, was ich wirklich brauche.
So verschloss ich mich und machte vieles mit mir selbst aus. Ich war zwar nach außen hin fröhlich, offen und überall dabei, innerlich aber sehr traurig, da niemand sich die Mühe machte, sich wirklich für mich zu interessieren und hinter meine Fassade zu schauen.
Wie tief sich alles eingebrannt hat und wie wenig ausgeprägt mein Selbstwertgefühl ist, wurde mir erst 2010 so richtig bewusst. Damals lernte ich NLP kennen und Carlos Salgado mein NLP-Ausbilder piekste bei mir genau in die Wunden, die ich zu heilen habe.
Seitdem ist es zu meiner Lebensaufgabe geworden, mich immer mehr selbst anzunehmen und mir selbst das Verständnis, die Empathie und die Liebe zu geben, die ich als Kind gebraucht hätte.
Die Geburt meiner Kinder hat dieser großen Aufgabe noch mehr Wichtigkeit verliehen.
Sie zeigen mir immer wieder genau die Stellen auf, an denen es mir an Selbstwertgefühl mangelt.
Ich möchte meien Kindern so viel Selbstwertgefühl, wie möglich, mitgeben. Ihnen zuhören, sie und ihre Gefühle verstehen und sie sein lassen, wie sie sind.
Sie sollen es später leichter haben und sich trauen, alles zu sagen und zu tun, was in ihnen steckt.
Das ist es, was ich mir für sie wünsche.
Ich bin überzeugt, der Schlüssel, um das zu erreichen, ist bei mir selbst anzufangen und ihnen vorzuleben, wie ich mich selbst wertschätze.
Was bedeutet also ein starkes Selbstwertgefühl für mich?
Selbst-Wert-Gefühl! Es ist also ein Gefühl. Ein Gefühl, selbst einen Wert zu haben. Wertvoll zu sein.
Das Wort „Gefühl“ ist hier aus meiner Sicht ausschlaggebend.
Ich weiß zum Beispiel, dass ich einen Wert habe und wertvoll bin. Doch ich fühle das oft nicht.
Dadurch schränke ich mich ein. Tue nicht das, was mir entspricht, sondern das, womit ich so wenig wie möglich auffalle und anecke.
Ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl bedeutet für mich demnach auch Freiheit und Gelassenheit.
Die Freiheit, das zu tun, was ich möchte und wie ich es möchte, mit der Gelassenheit, dass es unwichtig ist, wie das da draußen ankommt.
Einfach die sein, die ich wirklich bin. Einfach sein.
Selbstwertgefühl ist das Wichtigste, was wir unseren Kindern mitgeben können, denn es beeinflusst uns bei allem, was wir tun.
Und es bestimmt, wie wir uns dabei fühlen.
Was sind also meine besten Tipps, um das Selbstwertgefühl von Kindern zu stärken?
Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Ich hatte ja keine Vorbilder diesbezüglich und arbeite selbst noch hart daran, mein eigenes Selbstwertgefühl zu stärken.
Wovon ich aber überzeugt bin, ist dass Kinder bereits mit einem starken Selbstwertgefühl geboren werden.
Schon der erste Schrei nach der Geburt sagt doch: „Hey, hier bin ich! Ich habe jetzt Hunger und möchte Nähe. Und ich bin es mir wert, das jetzt lautstark kundzutun, bis mir das jemand gibt“.
Stark, oder?
In den ersten Lebensmonaten und Jahren sind die Kleinen ganz sie selbst. Sie tun und lassen, was in ihrer Natur liegt und fordern deutlich ein, wenn sie etwas brauchen, um weiterzukommen.
Das ist für mich der Inbegriff an Selbstwertgefühl.
Unsere Aufgabe ist deshalb nicht, das Selbstwertgefühl zu stärken, sondern es zu erhalten.
Meine 5 wertvollsten Tipps dafür sind:
- Fang bei dir an und finde zu deinem eigenen Selbstwertgefühl zurück! Es ist in dir. Du hattest es von Anfang an und ist nur unter den Erfahrungen aus deiner Vergangenheit vergraben. Das Selbstwertgefühl deines Kindes steht ganz eng in Verbindung mit deinem eigenen Selbstwertgefühl.
- Nimm von Anfang an so gut wie möglich wahr und verstehe, was in deinem Kind vor sich geht! Du brauchst dazu zunächst Wissen über verschiedene Babysignale und ihre Bedeutung. Durch bewusste Kommunikation, zum Beispiel mit Baby- und Kleinkindgebärden, ermöglichst du deinem Kind weit über seine Grundbedürfnisse hinaus mitzuteilen, was gerade in ihm vorgeht und was es von dir braucht.
- Erfülle möglichst alle Bedürfnisse! Dazu gehören nicht nur die Bedürfnisse deines Kindes, sondern auch deine eigenen. Eine sehr herausfordernde Aufgabe. Denn zuerst müssen alle Bedürfnisse verstanden und dann in Einklang gebracht werden. Ich empfehle dazu, mal bei Kathi Weber – Herzenssache vorbeizuschauen, Sie zeigt ganz wunderbar und praxisnah, wie das gehen kann.
- Lass dein Kind eigene Erfahrungen und Fehler machen! Das fängt schon bei der Mütze im Winter an oder beim Spielplatz. Dein Kind ist kompetent. Es weiß sehr genau, ob ihm kalt oder warm ist oder ob es sich zutrauen kann, auf das Klettergerüst zu klettern. Es lernt, indem du es machen lässt und ihm die Sicherheit gibst, dass du – mit der Mütze in der Tasche und Verständnis und Trost – da bist, wenn etwas schief geht. Das stärkt das Selbstbewusstsein und damit das Selbstwertgefühl.
- Sei authentisch! Du brauchst dein Kind nicht vor deiner eigenen Traurigkeit, Wut, Scham oder anderen unangenehmen Gefühlen zu schützen, indem du sie verbirgst. Du darfst dir erlauben, diese Gefühle zu zeigen. Damit lebst du deinen Kindern vor, dass es völlig OK ist, diese Gefühle zu haben und darüber zu sprechen. Über die eigenen Empfindungen zu sprechen ist die Basis dafür, dass diese auch gesehen werden können und zu erleben, dass sie wichtig und von Bedeutung sind.
Danke
Vielen Dank, dass du bis hierhin gelesen hast. Ich hoffe, du konntest für dich etwas mitnehmen.
Vielen Dank, liebe Wiebke für diese Blogparade. Es war sehr spannend, mich aus diesem Blickwinkel mit dem Thema Selbstwertgefühl der Kinder stärken auseinanderzusetzen.
